Barins Dreieck by Hakan Nesser

Barins Dreieck by Hakan Nesser

Autor:Hakan Nesser [Nesser, Hakan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-04-05T16:00:00+00:00


»Judith war nicht da, und es lag auch keine Nachricht neben dem Telefon in der Küche. Ich war mit so etwas sehr genau, und es kam nur selten vor, dass sie vergaß aufzuschreiben, wohin sie gegangen war. Ich nahm an, dass sie am Strand zum Schwimmen war, aber sie hatte um vier Uhr Reitstunde, deshalb wunderte es mich ein wenig. Wir hatten darüber am Morgen geredet, und es war nicht ihre Art, so etwas zu vergessen. . . Sie ritt sehr gern, fast genauso gern, wie sie schwamm. In der Küche stellte ich fest, dass sie nichts gegessen hatte, überhaupt gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass sie überhaupt zu Hause gewesen war. Ihre Schultasche lag nicht im Flur wie sonst. Trotzdem nahm ich ein Handtuch und ging hinunter zu unserer üblichen Badestelle ... auch dort war sie nicht. Wissen Sie, wo sie war, Doktor Borgmann?«

»Nein.«

»Als ich zurück zum Haus kam, wartete Lisette schon. Sie war Judiths beste Freundin, sie wollten zusammen reiten ... Sie stand am Zaun, mit Reitkappe und Reitgerte, ihre roten Zöpfe wippten, und sie trampelte ungeduldig auf der Stelle. ›Wo ist Judith?‹, rief sie, sobald sie mich erblickte. ›Wir kommen zu spät!‹ ›Ich weiß es nicht‹, antwortete ich. ›Hast du sie nicht gesehen, Lisette?‹ Sie schüttelte den Kopf. ›Ich habe keine Lust, einsam und allein zu reiten.‹

Genau das sagte sie, Doktor Borgmann. ›Keine Lust, einsam und allein zu reiten.‹ Sie müssen doch zugeben, dass das merkwürdig klingt. Auf jeden Fall sagte ich ihr, dass es das Beste wäre, wenn sie sich auf den Weg machte. Denn ich wusste ja nicht, wo Judith geblieben war. Haben Sie wirklich keine Ahnung, wo sie war, Herr Doktor?«

Sie betrachtete mich äußerst aufmerksam. Ich gab keine Antwort.

»Ich werde Ihnen gleich sagen, wo sie sich befand«, erklärte sie. »Möchte nur, dass Sie sich zunächst ein Bild machen können. Darüber, was es heißt, nichts zu wissen, meine ich ...«

Es verging eine Minute. Vielleicht zwei. Leise Geräusche waren aus dem Haus zu vernehmen, die ich aber nicht identifizieren konnte.

»Wir warteten fünfzehn Tage, mein Mann und ich«, sprach sie weiter. »Die ganze Zeit warteten wir, und dann haben wir es erfahren ... Wir haben erfahren, dass sie schon damals, bereits als ich Lisette davontrotten sah, die Reitgerte hinter sich herziehend, schon zwei Stunden dort verbracht hatte ...«

»Wo, Frau Enn?«

»In einer Wohnung in Weill. So einfach war das. Judith befand sich in einer dreckigen Zwei-Zimmer-Wohnung gleich hinter dem Bahnhof. Zusammen mit einem Mann. Dort blieb sie mehr als zwei Wochen lang.«



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